„People“ Gesellschaft & Leute
Fragen an Petra, Thema „Kälte“ (Interview mit dem ARTE-/BR-Regisseur Pierre Mathias & Petra M. Jansen, veröffentlicht auf dem früheren KWALAE.Magazin)
Kann Kälte erotisch sein?
Durchaus, Pierre, sofern sie spielerisch eingesetzt wird
und ein warmes Herz dahinter steht. Distanziertheit empfinde ich ab und an als
sehr erotisch, aber nur in dem Maße, dass es reizvoll sein kann, die „Nuss“ zu
knacken und man einen Partner hat, die feine Gradwanderung zwischen Distanz und
Nähe gefühlvoll und sensibel beherrscht. Ansonsten ist emotionale Kälte
abtötend und höchst unerotisch.
Was drückt für dich Kälte aus?
Generell mag ich
keine Kälte, weder menschlich noch Temperatur mäßig.
Ein kalter Mensch
ist nicht „in Ordnung“, das kann ich nicht einschätzen. Jeder normale Mensch
fährt seine Antennen aus und geht einen Schritt zurück. Kälte ist für mich
Vorsicht! Aufpassen!
Ist Kälte eine Abwehr?
Menschen setzen Kälte aus Kalkül, Berechnung, Verletzung,
Angst oder Abwehr ein. Und es gibt eiskalte Menschen, die keine Gnade kennen,
keine Gewissensbisse haben und auch keine Schuldgefühle. Dazu zählen Mörder, Psychopathen,
extrem psychisch gestörte Menschen. Denken wir mal an den kanadischen
Pornodarsteller Lukka Magnotta, der vor laufender Kamera seinen Ex-Lover mit
einem Eispickel getötet, sein Fleisch gegessen und seine Körperteile per Post
verschickt hatte. Seine Tat hat er dann auch noch gefilmt und später als Video
ins Netz gestellt. Das ist wirkliche Kälte, Pierre. Eiskalt.
Was verbirgt sich unter der Kälte?
Hemmungen? Kontaktarmut? Oder einfach Arroganz?
Das ist unterschiedlich, Pierre. Hemmungen lassen den
Menschen eher ruhig und ein wenig unsicher erscheinen, nicht immer kalt.
Arroganz ist der Schutz der dummen Leute, denn sie ist völlig fehl am Platz.
Eher ist es der Narzissmus, die Eitelkeiten und sie glauben, „besser“ oder
„mehr“ zu sein. Oder aber Extremstörungen der Psyche und menschliche
Zurückweisung.
Kann Kälte als Waffe benutzt werden?
Sicher und das wird bedauerlicherweise auch oft getan.
Ignoranz und bewusstes Desinteresse dem Partner gegenüber, das ist schon eine
Waffe. In den seltensten Fällen allerdings kann sie etwas bewirken.
Kälte in der Sexualität, was bedeutet
das?
Sofern es sich
nicht um ein gewolltes Rollenspiel handelt, was ich ab und an recht
erotisierend finde, ist Kälte in der Sexualität das Ende vom Ende. Nicht der Anfang,
der lag bereits lange davor. Kalte Sexualität ist sogar weniger als animalisch,
denn selbst Tiere tun es aus instinktiven, aber positiven Belangen.
Sexualität, die
ohne Gefühl gelebt wird, ist für mich grausam. Dann schlage ich doch besser die
Gummi-Vagina oder den Dildo vor, dann wird nicht noch ein anderer Mensch in
diese Lieblosigkeit mit hineingezogen.
Kann Leidenschaft eiskalt sein?
In den Filmen schon. Aber Leidenschaft ist nicht kalt, sie
ist heiß, brennt, sie lässt dich glühen und schwitzen. Kälte und Leidenschaft
passen für mich nicht zusammen.
Man sagt, dass Kälte und Hass in einer Beziehung nur dort
auftreten können, wo zuvor Liebe war. Da widerspreche ich und werde das nicht
pauschalisieren. Es kommt sicher auf den Menschen an und wie viel Verletzungen
man einstecken musste. Heute bin ich der Meinung, dass man einen Partner in
Ehren halten sollte und die Leidenschaft, die einen einst verbunden hat, ehren
und schätzen muss.
Ist Kälte nur mit Verachtung oder Hass
zu verbinden?
Oft, ja. Es zeigen
sich keinerlei warme Gefühlswelten. In der Hooligan-Szene wird der Menschenhass
eiskalt ausgelebt und Menschen werden zu Tode geprügelt oder getreten. Viele
dunkle Kapitel der Menschheit zeigen Kälte, Hass und Verachtung.
Wie konnte ein
psychisch Gestörter massenhaft Menschen umbringen und in KZ-Lager stellen? Also
auch Größenwahn, Narzissmus und Selbstsucht, spielen eine große Rolle.
Kann Kälte töten?
Nehmen wir eine Mutter-Kind-Beziehung, Pierre. Hier richtet
Kälte einen nicht wiedergutzumachenden Schaden an, züchtet eiskalte und
gestörte „Ableger“. Kinder brauchen viel Liebe und Wärme, sie müssen Herz und
Seele spüren sonst erleiden sie ernsthafte Störungen. Und an dieser Stelle
nochmals mein Vermerk auf Magnotta, ein Beispiel, dass Kälte sehr wohl töten
kann und es auch tut.
Hast du schon Kälte verwendet um dich
zu schützen?
Ja, einmal in
meinem Leben blieb mir keine andere Wahl und ich hatte die nackte Angst. Es gab
nur zwei Möglichkeiten: er oder ich. Frag mich woher ich diesen Mut genommen
habe, diesem stattlichen Mann, der keine Skrupel hatte, entgegenzutreten und
ihm wörtlich „die Pistole auf die Brust zu setzen“.
Später ließ ich ihn
durch die Polizei abtransportieren und sagte ihm (eiskalt), dass er sich nie
wieder bei mir blicken lassen soll. Nie wieder und das meine ich sehr ernst.
© Petra M. Jansen
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