SATT STATT STARK

SATT STATT STARK Sozialkritik & Dekadenztexte

Sozial- und gesellschaftskritische Essays, eine zeitkritische Auseinandersetzung mit dem Appell an Reaktivierung von Herz und Verstand. I ...

AUSGRENZUNG/ RASSISMUS


Petra M. Jansen: “Ausgrenzung”

Petra M. Jansen
„People“, Gesellschaft & Leute
Fragen an Petra M. Jansen, Thema „Ausgrenzung/ Rassismus“, im Interview mit Pierre Mathias

Martin Luther King wurde im Jahr 1968 in Memphis ermordet; hat sich in der Frage des Rassismus generell etwas verändert?
Es herrschte Segregation, also Ausgrenzung in vielerlei Hinsicht. Zwar sind Verbesserungen erzielt worden, Obama ist Präsident der Vereinigten Staaten – aber, wer heute in den USA ein Visum beantragen möchte, muss seine Rasse angeben. Da steht Hispanic, Other, Black, White – das sagt alles, Pierre.
Es gibt immer noch die Bezeichnung „negro“ und die Diskriminierung Schwarzer ist auf vielen Ebenen deutlich zu spüren. Gerade, weil das Land sich für einen schwarzen Präsidenten entschieden hat, lehnen sie sich entspannt zurück und denken, Rassismus gehöre der Vergangenheit an. Nein, noch lange gibt es keine wirkliche Gleichberechtigung. Den Begriff Rassismus zeigt eine Denkweise, bei der es die Tatsache, dass jeder Mensch einzigartig ist, nicht gibt.

Wie sieht es mit der Ausgrenzung in Deutschland aus?
Das Problem heißt Rassismus – damals genauso wie heute und wir haben nichts gelernt. Eine Sozialisierung von Rechtsextremen darf es nicht geben und muss mit allen Mitteln verhindert werden. Es fehlt deutlich an Empathie für die Opfer, die gequält, misshandelt, denunziert, erniedrigt, verfolgt werden.
Schon das Denken in Rassen ist verwerflich und fing lange vor dem Nationalsozialismus an. Man meinte ja, dieses Kapitel sollte ein für alle mal geschlossen sein, aber das ist falsch. Menschen ausländischer Herkunft werden ins Visier genommen und das von Leuten, die sich in den Flieger setzen und mal schnell in den Senegal fliegen oder den Tafelberg hoch gondeln. Die Bundesrepublik Deutschland distanziert sich von dem Begriff Rassismus und verurteilt die Ideologie des Dritten Reiches – man tauscht den Begriff gegen Fremden- bzw. Ausländerfeindlichkeit aus, was ich genauso schlimm finde.

Kannst du dich in die Haut eines schwarzer Pastors versetzen, der es in einem ostdeutschen Ort, aus rassistischen Gründen, nicht mehr ausgehalten hat?
Diejenigen, die gehen, haben die Hoffnung aufgegeben. Versetze ich mich in seine Person, fühle ich Missverständnis, Erniedrigung, Angst, Wut und Resignation. Hass darf keinen Gegenhass erzeugen, aber es fällt schwer.
Schlimm genug, dass es so etwas in Deutschland geben kann, mir fehlen die Worte und ich bin geneigt, mich im Namen meines Landes zu entschuldigen und in Verbundenheit mit diesem Menschen, Hand in Hand in eine tolerante Zukunft zu gehen. Die Menschen, die an diesem Frevel, an dieser menschenunwürdigen Aktion beteiligt waren, für die muss man sich schämen.

Was bewegt Menschen, andere auszugrenzen?
Nehmen wir mal die Definition Rassismus, Pierre. Es bedeutet, die Welt frei zu machen von „abnormen“ Gesellschaftsgruppen. Das beinhaltet fremde Kulturen und Menschen anderer Länder, um eine homogene Einheit zu schaffen. Solch ein hasserfülltes, verwerfliches Gedankengut sorgt(e) für Völkermord, Ausrottung ganzer Kulturen, organisiertes Verbrechen. Was Menschen dazu bewegt, Pierre, diese Frage kann ich nicht wirklich beantworten, da fehlt mir jegliches Nachvollziehen – auch nur ansatzweise.

Wie ist zu erklären, dass die Nazi-Ideologie noch immer Anhänger findet?
Ich komme mal auf die Musik und die Ursprünge der Nazi-Ideologie in der Hardcore-Musik. Die rechtsextreme Szene ist moderner geworden und zieht junges Publikum durch Konzerte von Rechtsrock-Bands, an – Tendenz steigend. Wir nennen sie heute Hatecore-Bands, die auch Nazi-Aufmärsche begleiten. Oft sind Angehörige der Neonazi-Szene auf den ersten Blick nicht zu unterscheiden von alternativen Jugendkulturen. Jugendliche ohne Perspektive, schlechte Bildung, Arbeitslosigkeit, mangelnde Aufnahme und Akzeptanz in der Gesellschaft und auch Ängste vor unsichtbaren Gefahren, auf die scheinbar kein Einfluss zu nehmen ist, können Gründe sein. Somit werden Feindbilder geschaffen und auch eigene Versagensängste werden auf erschaffene Sündenböcke projiziert. Mangelnde Aufklärung, Verfall und Abnahme der ethischen Werte, Gewaltpräsenz durch die Medien – all das ist die Grundlage.

Spielt eine Art Impotenz eine Rolle, wenn es um Rassismus geht?
Wenn es nach mir gehen würde, wären diejenigen impotent, die diskriminierend und rassistisch sind. Ich würde sie an den Eiern packen und sie daran quer durch die Welt ziehen, damit das, was da drüber hängt, nie mehr wieder in der Lage wäre, dieses verwerfliche Gedankengut weiter zu streuen.
Sie fühlen sich vielleicht potent in ihrer geistigen und humanen Impotenz, potent in der Gruppe impotenter Versager, die auch heute noch das Hakenkreuz schwingen und heimlich auf dem Land ihren Hassgefühlen freien Lauf lassen.

Ist Gewalt mit einem Minderwertigkeitsgefühl in Zusammenhang zu bringen?
Nicht immer, aber oft, ja. Gewaltbereitschaft setzt voraus, dass keine oder eine sehr geringe Empathie herrscht, die ethischen Werte angeschlagen sind, Begriffe wie Reue und Gewissen keine Rolle spielen und eine massive Abwertung eines anderen Menschen erfolgt. Soweit, dass grenzverletzend das individuelle Recht auf Unversehrtheit angegriffen wird. Eine vorsätzliche Tat, die keine Entschuldigung wieder gut machen kann. Schaut man sich die Täter an, sind es oft schlecht gebildete Leute, die ein normales menschliches und respektvolles Miteinander nicht leben oder nicht kennen. Würde einer von ihnen in der verfolgten Position sein, sie würden wie ein winselnder Hund um Gnade betteln.

Spielt das "nicht kennen" eine Bedeutung, wenn es um Rassismus geht?
Sie dürfen ihre Opfer nicht kennen. Es ist wie beim Robbenschlachten: schaut der Mörder seinem Opfer ins Gesicht, würde so mancher Schlag ins Leere gehen. Eine menschliche Auseinandersetzung erfolgt nicht, das Opfer wird als Sache angesehen, als etwas, das nicht in das „homogene Bild“ passt. Wäre das Schnitzel auf ihrem Teller ein Ferkel, dass sie selbst aufgezogen haben, könnten sie es vielleicht nicht (fr)essen. Die Distanz und das Nicht-Kennen macht es möglich.

Was hältst du von der breiten Masse, wenn sie bei Übergriffen auf Schwarze schweigt?
Dann sind sie ebenso zu verurteilen wie die Täter und Anhänger. Menschen lassen sich weder in Rassen noch in gut, schlecht, böse, arisch, minderwertig oder sonst was einteilen. Menschen sind alle gleich und es spielt keine Rolle, welcher Religion sie angehören, aus welchem Land sie kommen, was ihre Kultur ist, ob sie eine helle oder eine dunkle Hautfarbe haben. Es darf keine Unterschiede zwischen dem Ole aus dem Norden und dem Hamza aus dem Süden geben, keine!
Alle rassistischen Parolen sind extrem gefährlich und jeder, der hier keine Zivilcourage zeigt, ist fehl am Platz und macht sich ebenso mit schuldig.

Ist Rassismus kulturell zu erklären?
Rassismus ist für mich überhaupt nicht zu erklären, Pierre, das mal vorne weg.
Aber ich denke an das Kastenwesen, an das antike Rom, wo es die Barbaren gab. An die Conquista, der Vertreibung von Juden und Mauren aus Spanien, an die Sklaverei in den USA mit seiner weißen Vorherrschaft und solche Dinge. Sie alle zeigen, dass es Menschen gab und gibt, die sich als privilegierter betrachten und sich über andere stellen. Ich frage mich, woher sie die Unverschämtheit nehmen, sich als etwas Besseres anzusehen und menschenverachtende Handlungen zu vollziehen. Es muss unsere Aufgabe sein, Menschen und Kulturen auf der ganzen Welt miteinander zu verbinden und zu respektieren und dabei allem, was sich hier hirnamputiert entgegenstellt, die rote Karte zu zeigen.
© Petra M. Jansen

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