Petra M. Jansen: Karwoche / Semana Santa
„People“ Gesellschaft & Leute
Fragen an Petra zur „Karwoche/ Semana Santa“, im Interview mit dem früheren ARTE-/BR-Regisseur/ Journalisten Pierre Mathias
Liebe Petra, du hast in Spanien gelebt. Was du empfindest du, wenn du die Karfreitags-Prozessionen siehst?
Die Semana Santa – wie die Karwoche in Spanien heißt – ist eine ernste Sache, denn die streng katholischen Spanier feiern die heilige Woche als Büßer, in Trauergewändern und es wird dort gemeinsam zutiefst gelitten. Es war für mich eine hochfestliche Zeit und Ostern bekam das erste Mal in meinem Leben einen anderen Sinn. Ich bin nicht gläubig, aber diese farbenprächtigen Prozessionen haben mich nachdenken lassen über Heiligtum, Schein und Wirklichkeit.
Wenn Menschen sich selbst geißeln, wie es in Spanien in der Karwoche der Fall ist, wie würdest du das beschreiben?
Die Semana Santa beginnt mit dem Domingo Ramos, dem Palmsonntag und endet einen Sonntag später, mit dem Tag der Wiederauferstehung, dem Domingo Resurrection. Ostern in Spanien wäre ohne ein intensives, tiefes Gemeinschaftsgefühl undenkbar, so erhält es sich auch mit dem Leid. Gemeinsames Leid ist leichteres Leid, erst nach dem Tag der Wiederauferstehung wird das Fest wieder fröhlicher. Die Semana Santa ist eine tiefe Tradition und in fast jedem Dorf Spaniens wird ein pompöses Fest organisiert, bei dem die Heiligen, Schutzpatrone und Jesusfiguren aus den Kirchen ans Tageslicht getragen werden. Sie sind tiefgläubig und streng katholisch, insofern hat es für sie eine gänzlich andere Bedeutung als für mich.
Sind die Prozessionen Ausdruck eines tiefen Glaubens oder eher eine Art Spektakel?
Sie sind Ausdruck eines tiefen Glaubens. In der andalusischen Karwoche sind der Leidensweg Christi und die Feier seiner Auferstehung ein räumliches Nebeneinander, bei dem sich das Mit-Leiden und Buße-Tun teilweise mit Lebensfreude und Ausgelassenheit vermischen. Die Straßen vieler Dörfer und Städte verwandeln sich dabei in eine riesige Bühne. Der Ursprung der Semana Santa liegt im 16.Jahrhundert und speziell die Feierlichkeiten in Sevilla / Andalusien sind die bedeutendsten in ganz Spanien. Clevere Reiseveranstalter bieten übrigens Sevilla-Karwochen zu Pauschalpreisen an.
Hat die Karwoche in Spanien einen heidnischen Charakter?
Einen heidnischen Charakter hat nicht die Karwoche in Spanien sondern unsere Eierbemalerei und – versteckerei, ein Brauch, der auf Frühlingsriten der Germanen und Slawen und deren heidnische Ursprünge zurückgeht.
Wenn du Menschen siehst, die durch die Straßen ein Kreuz tragen und dabei bluten, geschieht das im Namen Christi?
Die Bruderschaften (das sind Vereinigungen von heiligen Katholiken) bewegen sich mit ihren Prozessionen der Reue und der Buße durch die teilweise sehr engen Gassen, von ihrer Kirche bis zur Kathedrale und wieder zurück. Die sogenannten Nazarenos sind Büßer, die meist barfüßig in lange Gewänder gehüllt und mit einer Spitzhaube bekleidet, die Prozessionszüge begleiten.
Während der Karwoche ziehen in Sevilla 57 Bruderschaften, 116 Pasos von ihrer Stammeskirche zur Kathedrale und zurück, meistens tragen sie zwei Pasos. Das sind Tragevorrichtungen, mit denen Heiligenfiguren – üppig geschmückt wie auf einem Thron – getragen werden. Einer mit Jesus Christus, seiner Passion, seinem Tod und seiner Auferstehung sowie ein weiterer Pasos mit der heiligen Jungfrau Maria. Die wichtigste Nacht ist zwischen Donnerstag und Karfreitag, in der sich bis zu einer Millionen Menschen in Sevilla versammeln, wenn die Bruderschaften antreten. Die Pasos sind sehr schwer, können manchmal mehrere Tonnen Gewicht haben und brauchen nahezu 250 Träger oder mehr. Die Menschen bereiten sich lange vorher schon darauf vor und – wie gesagt – es wird kollektiv gelitten. Alles ist eine alte Tradition und sie leiden im Namen Christi, sie erinnern an seine Kreuzigung, sein Leid, seinen Tod.
Haben die Prozessionen einen erotischen Charakter?
Für mich nicht, Pierre.
Würdest du einen Zusammenhang zwischen einer Corrida und einer Prozession sehen?
Corrida de Toros genannt, meint das traditionelle Ritual Mensch gegen Stier, das in Spanien, Portugal, in Gegenden Lateinamerikas oder Frankreich, entgegen den Tierschutzforderungen, gepflegt wird. Ganz ehrlich? Für mich passt das nicht zusammen, auf der einen Seite die Verehrung und Anbetung der Schutzpatrone, von Jesus Christus und der heiligen Jungfrau und auf der anderen Seite keinen Respekt und Achtung vor dem Tier. Doch damit wird alleine in Spanien ein Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Euro erwirtschaftet, eine nicht unerhebliche Summe.
In Spanien wird der Tod oft glorifiziert. Ist das bei den Prozessionen der Fall?
Nun ja, Pierre – ich bin ungläubig und auch auf die Gefahr hin, dass ich gelyncht werde, diesen Jesus- und Schutzparton-Kult finde ich ein wenig übertrieben und pompös, ebenso wie die katholische Kirche, die ich nicht mehr zeitgemäß finde. Nach festem Datum leiden und sich ansonsten zu verhalten, dass es nichts mit Nächstenliebe, Achtung und ethischen Werten zu tun hat, das widerspricht sich. Die Spanier übertreiben es, haben auch – wie gesagt – keine Achtung vor dem Tier, nicht einmal vor ihren Hunden und Katzen. In ländlichen Gebieten nicht einmal vor der eigenen Ehefrau, die leider nicht immer gut behandelt wird. Doch das ist in der katholischen Kirche generell der Fall, dass Tote glorifiziert und Verlogenheit und Fehlverhalten vergessen werden, sobald ergreifende Zeremonien darüber hinwegtäuschen.
Hat die Bluthochzeit von Garcia Lorca eine Verwandtschaft mit dem, was in der Karwoche zu sehen ist?
Garcia Lorca´s Tragödie handelt von der Unterdrückung der weiblichen Sexualität, von einer ländlichen-archaischen Welt, von lebensfeindlichen Ehrbegriffen und Lorca musste seine Veröffentlichung mit dem Leben bezahlen. In seiner Tragödie wurde die Braut am Tag ihrer Hochzeit entführt und floh mit ihrem verheirateten Liebsten in den Wald, verfolgt von dem stehen gelassenen Bräutigam und der gesamten Hochzeitsgesellschaft. Es geht um Doppelmoral, um Menschen, die sich mit den Zwängen der Gesellschaft nicht abfinden wollten und dies am Ende mit ihrem Leben bezahlen mussten. Ich sehe Jesus, der seiner Zeit weit voraus war, ebenso wie Maria, die als Ehebrecherin bezeichnet wurde. Der Tod steht immer am Ende, so auch bei diesem Autor, der über das geschrieben hat, was die Wahrheit ist. Eigentlich sollte so ein Mensch ebenfalls Platz auf einem Paso finden.
In Andalusien wird Maria in den Prozessionen als Hure beschimpft, was hat es deiner Ansicht nach zu bedeuten?
Die Heilige wurde von der Kirche zur Hure gemacht. Im Neuen Testament wurde sie als Sünderin bezeichnet. Maria wurde als Miteingeweihte der Alchemie des Horus und des Isis Kultes angesehen, die mit sexuellen Energien arbeitete, die sie auch Jesus nahe brachte und ihn damit stärkte. Auch sagt man, dass Jesus Christus ihr sieben böse Geister ausgetrieben hätte. Es gibt Darstellungen, die zeigen, dass Jesus und Maria verheiratet waren und sie ihm nach seiner Kreuzigung ein Kind gebar. Sexualität war eine Sünde, Frauen die Quellen der Versuchung und der Sünde.
Frohe Ostern!
© Petra M. Jansen
Fragen an Petra zur „Karwoche/ Semana Santa“, im Interview mit dem früheren ARTE-/BR-Regisseur/ Journalisten Pierre Mathias
Liebe Petra, du hast in Spanien gelebt. Was du empfindest du, wenn du die Karfreitags-Prozessionen siehst?
Die Semana Santa – wie die Karwoche in Spanien heißt – ist eine ernste Sache, denn die streng katholischen Spanier feiern die heilige Woche als Büßer, in Trauergewändern und es wird dort gemeinsam zutiefst gelitten. Es war für mich eine hochfestliche Zeit und Ostern bekam das erste Mal in meinem Leben einen anderen Sinn. Ich bin nicht gläubig, aber diese farbenprächtigen Prozessionen haben mich nachdenken lassen über Heiligtum, Schein und Wirklichkeit.
Wenn Menschen sich selbst geißeln, wie es in Spanien in der Karwoche der Fall ist, wie würdest du das beschreiben?
Die Semana Santa beginnt mit dem Domingo Ramos, dem Palmsonntag und endet einen Sonntag später, mit dem Tag der Wiederauferstehung, dem Domingo Resurrection. Ostern in Spanien wäre ohne ein intensives, tiefes Gemeinschaftsgefühl undenkbar, so erhält es sich auch mit dem Leid. Gemeinsames Leid ist leichteres Leid, erst nach dem Tag der Wiederauferstehung wird das Fest wieder fröhlicher. Die Semana Santa ist eine tiefe Tradition und in fast jedem Dorf Spaniens wird ein pompöses Fest organisiert, bei dem die Heiligen, Schutzpatrone und Jesusfiguren aus den Kirchen ans Tageslicht getragen werden. Sie sind tiefgläubig und streng katholisch, insofern hat es für sie eine gänzlich andere Bedeutung als für mich.
Sind die Prozessionen Ausdruck eines tiefen Glaubens oder eher eine Art Spektakel?
Sie sind Ausdruck eines tiefen Glaubens. In der andalusischen Karwoche sind der Leidensweg Christi und die Feier seiner Auferstehung ein räumliches Nebeneinander, bei dem sich das Mit-Leiden und Buße-Tun teilweise mit Lebensfreude und Ausgelassenheit vermischen. Die Straßen vieler Dörfer und Städte verwandeln sich dabei in eine riesige Bühne. Der Ursprung der Semana Santa liegt im 16.Jahrhundert und speziell die Feierlichkeiten in Sevilla / Andalusien sind die bedeutendsten in ganz Spanien. Clevere Reiseveranstalter bieten übrigens Sevilla-Karwochen zu Pauschalpreisen an.
Hat die Karwoche in Spanien einen heidnischen Charakter?
Einen heidnischen Charakter hat nicht die Karwoche in Spanien sondern unsere Eierbemalerei und – versteckerei, ein Brauch, der auf Frühlingsriten der Germanen und Slawen und deren heidnische Ursprünge zurückgeht.
Wenn du Menschen siehst, die durch die Straßen ein Kreuz tragen und dabei bluten, geschieht das im Namen Christi?
Die Bruderschaften (das sind Vereinigungen von heiligen Katholiken) bewegen sich mit ihren Prozessionen der Reue und der Buße durch die teilweise sehr engen Gassen, von ihrer Kirche bis zur Kathedrale und wieder zurück. Die sogenannten Nazarenos sind Büßer, die meist barfüßig in lange Gewänder gehüllt und mit einer Spitzhaube bekleidet, die Prozessionszüge begleiten.
Während der Karwoche ziehen in Sevilla 57 Bruderschaften, 116 Pasos von ihrer Stammeskirche zur Kathedrale und zurück, meistens tragen sie zwei Pasos. Das sind Tragevorrichtungen, mit denen Heiligenfiguren – üppig geschmückt wie auf einem Thron – getragen werden. Einer mit Jesus Christus, seiner Passion, seinem Tod und seiner Auferstehung sowie ein weiterer Pasos mit der heiligen Jungfrau Maria. Die wichtigste Nacht ist zwischen Donnerstag und Karfreitag, in der sich bis zu einer Millionen Menschen in Sevilla versammeln, wenn die Bruderschaften antreten. Die Pasos sind sehr schwer, können manchmal mehrere Tonnen Gewicht haben und brauchen nahezu 250 Träger oder mehr. Die Menschen bereiten sich lange vorher schon darauf vor und – wie gesagt – es wird kollektiv gelitten. Alles ist eine alte Tradition und sie leiden im Namen Christi, sie erinnern an seine Kreuzigung, sein Leid, seinen Tod.
Haben die Prozessionen einen erotischen Charakter?
Für mich nicht, Pierre.
Würdest du einen Zusammenhang zwischen einer Corrida und einer Prozession sehen?
Corrida de Toros genannt, meint das traditionelle Ritual Mensch gegen Stier, das in Spanien, Portugal, in Gegenden Lateinamerikas oder Frankreich, entgegen den Tierschutzforderungen, gepflegt wird. Ganz ehrlich? Für mich passt das nicht zusammen, auf der einen Seite die Verehrung und Anbetung der Schutzpatrone, von Jesus Christus und der heiligen Jungfrau und auf der anderen Seite keinen Respekt und Achtung vor dem Tier. Doch damit wird alleine in Spanien ein Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Euro erwirtschaftet, eine nicht unerhebliche Summe.
In Spanien wird der Tod oft glorifiziert. Ist das bei den Prozessionen der Fall?
Nun ja, Pierre – ich bin ungläubig und auch auf die Gefahr hin, dass ich gelyncht werde, diesen Jesus- und Schutzparton-Kult finde ich ein wenig übertrieben und pompös, ebenso wie die katholische Kirche, die ich nicht mehr zeitgemäß finde. Nach festem Datum leiden und sich ansonsten zu verhalten, dass es nichts mit Nächstenliebe, Achtung und ethischen Werten zu tun hat, das widerspricht sich. Die Spanier übertreiben es, haben auch – wie gesagt – keine Achtung vor dem Tier, nicht einmal vor ihren Hunden und Katzen. In ländlichen Gebieten nicht einmal vor der eigenen Ehefrau, die leider nicht immer gut behandelt wird. Doch das ist in der katholischen Kirche generell der Fall, dass Tote glorifiziert und Verlogenheit und Fehlverhalten vergessen werden, sobald ergreifende Zeremonien darüber hinwegtäuschen.
Hat die Bluthochzeit von Garcia Lorca eine Verwandtschaft mit dem, was in der Karwoche zu sehen ist?
Garcia Lorca´s Tragödie handelt von der Unterdrückung der weiblichen Sexualität, von einer ländlichen-archaischen Welt, von lebensfeindlichen Ehrbegriffen und Lorca musste seine Veröffentlichung mit dem Leben bezahlen. In seiner Tragödie wurde die Braut am Tag ihrer Hochzeit entführt und floh mit ihrem verheirateten Liebsten in den Wald, verfolgt von dem stehen gelassenen Bräutigam und der gesamten Hochzeitsgesellschaft. Es geht um Doppelmoral, um Menschen, die sich mit den Zwängen der Gesellschaft nicht abfinden wollten und dies am Ende mit ihrem Leben bezahlen mussten. Ich sehe Jesus, der seiner Zeit weit voraus war, ebenso wie Maria, die als Ehebrecherin bezeichnet wurde. Der Tod steht immer am Ende, so auch bei diesem Autor, der über das geschrieben hat, was die Wahrheit ist. Eigentlich sollte so ein Mensch ebenfalls Platz auf einem Paso finden.
In Andalusien wird Maria in den Prozessionen als Hure beschimpft, was hat es deiner Ansicht nach zu bedeuten?
Die Heilige wurde von der Kirche zur Hure gemacht. Im Neuen Testament wurde sie als Sünderin bezeichnet. Maria wurde als Miteingeweihte der Alchemie des Horus und des Isis Kultes angesehen, die mit sexuellen Energien arbeitete, die sie auch Jesus nahe brachte und ihn damit stärkte. Auch sagt man, dass Jesus Christus ihr sieben böse Geister ausgetrieben hätte. Es gibt Darstellungen, die zeigen, dass Jesus und Maria verheiratet waren und sie ihm nach seiner Kreuzigung ein Kind gebar. Sexualität war eine Sünde, Frauen die Quellen der Versuchung und der Sünde.
Frohe Ostern!
© Petra M. Jansen
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