SATT STATT STARK

SATT STATT STARK Sozialkritik & Dekadenztexte

Sozial- und gesellschaftskritische Essays, eine zeitkritische Auseinandersetzung mit dem Appell an Reaktivierung von Herz und Verstand. I ...

Samstag, 5. Juli 2014

JET SET




„People“ Gesellschaft & Leute
Fragen an Petra, Thema „Jet Set“ (Interview von Pierre Mathias mit Petra M. Jansen auf dem ehemaligen Kwalae.Magazin, Rubrik: "People", Gesellschaft & Leute)

Der rote Teppich geht mir gewaltig auf den Geist! Ist ein Festival eine Modenschau?

So artet es mittlerweile aus, Pierre. Auf den Festivals haben die maßgeschneiderten Roben mehr Gewicht als die Filme, für deren Ehrung und Vorstellung sie ursprünglich gedacht waren. Die Boulevardpresse ist voll von Postings der Stars und Sternchen, die oftmals puppenhaft gestylt flanieren und - ihr bestes Jacketkronen-Lächeln preisgebend, oberflächlich in die Runde werfend - stets die Kamera der Paparazzi im Blick haben. Eine Zurschaustellung der fitnessgequälten, abgesaugten und falsch aufpolierten Stars, die ich nicht mehr sehen kann, weil sie so surreal aussehen. Es sollte eigentlich um die Filme, um die Arbeit gehen, aber es ist entartet, leider. Dennoch muss ich anmerken, dass es Kultur ist, denn ohne Filme, Musik, Künstler gäbe es keine Festivals und andersrum, wenn sich niemand mehr dafür interessieren würde, beraubten wir uns einer Kunst und eines Teils unserer Kultur. Jet Set im klassischen Sinne bedeutet Schickeria, auch Jungreiche und eine wohlhabende, internationale Gesellschaftsschicht und steht hier in diesem Zusammenhang für die Stars und Sternchen der Film- und Musikbranche.


Wenn Charity mit dem roten Teppich vermengt wird, kommen bei mir komische Gefühle auf. Wie steht es bei dir?

Zunächst einmal sind einige Akteure für mich völlig überbezahlt und ich verstehe nicht, wieso sie mehrere Millionen Dollar Gage erhalten, die in keiner Relation zur Leistung stehen. Nun würde die Filmindustrie protestieren und sagen, dass dieser oder jener Schauspieler das Doppelte oder Dreifache einspielt und es genau aus diesem Grund angemessen wäre. O.k., das lasse ich jetzt mal so stehen, denn es scheint zu stimmen und Hollywood arbeitet nicht mit roten Zahlen unter´ m Strich. Es gibt Stars, die einen Teil ihres Geldes sinnvoll in Charity-Projekte stecken und sie haben natürlich weltweit eine Vorbildfunktion. Wenn nicht sie und andere Künstler oder die Politiker es tun, wer dann? Sie haben das Geld dafür und wenn es tatsächlich für soziale Belange eingesetzt wird, finde ich das gut. Alles, was sie in dieser Hinsicht tun, geschieht auch im Hinblick auf ihre eigenen Positionierung und solange man ihnen nicht ihre 20-Zimmer-Villa in Beverly Hills nimmt, ist alles in Ordnung. Soziales Engagement, Wohltätigkeit und Benefiz - sinnvoll eingesetzt -  sind nie verkehrt.


Geht es beim Jet-Set nicht vor allem um eine Selbstdarstellung? Um die Kohle?

Es geht immer um Selbstdarstellung, Publicity oder das Gewissen. Ich will nicht ausschließen, dass es Stars gibt, die wirklich helfen wollen, denen es ein innerer Wunsch ist, Hilfe und Unterstützung zu leisten. Doch es kommt gut an, wenn die Weste rein ist und die Vorbildfunktion einen positiven, humanen, sozialen Touch hat. Im Sinne des Geschäfts, im Sinne des Künstlers, im Sinne der begleitenden Filmindustrie. Angelina Jolie ist mit ihrer humanitären Unterstützung in Kambodscha fast mehr in den Medien als mit ihren Filmen und diese Präsenz tut wiederum ihrer Arbeit als Schauspielerin gut. Präsenz in den Medien bedeutet auch Achtung und das schraubt wiederum die Gage in die Höhe.


Wir erklärst du, dass der kleine Mann sich derart von dieser Schau leimen lässt?

Es ist der Traum des kleinen Mannes, einen Hauch dieser egozentrischen Welt mitleben zu können. Ich erkläre es damit, dass es dem Großteil der Menschen anscheinend an klugem Verstand fehlt und das wird leider immer schlimmer. Es ist die Durchschnittsbevölkerung und die träumt von Glamour, Luxus, Geld, Ruhm und Ehre, damit ihr tristes Dasein zu Hause ein wenig Farbe bekommt. Die Damen verschlingen solch einen Quatsch, der in den Boulevardblättchen veröffentlicht wird,  rennen zum nächsten Nagelstudio, zum Friseur und liegen nachts frustriert im Bett, weil sie es gerade noch auf die Reihe bringen, dass sie sicher nie dazugehören werden. Danach futtern sie Schokolade und Konfekt, damit diese Erkenntnis nicht ganz so schmerzlich ist. Für ältere Leute bedeutet es schlichtweg Unterhaltung, Ablenkung und ein Hauch der weiten Welt - das ist auch in Ordnung so.


Ist der Unterleib einer Diva wichtiger als das, was sie im Schädel trägt, wenn vorhanden?

Sie werden nach Äußerlichkeiten beurteilt und hier zählt nicht Geist sondern Schönheit, Sexappeal und Ausstrahlung. Darüber definieren sie sich gerne über aufgespritzte Lippen, silikonvergrößerte Brüste, gestraffte Schenkel, die schon dreimal abgesaugt wurden. Bei den Herren ist es ein wenig besser und es gibt leider sehr wenige Stars, die wirklich bodenständig, normal und natürlich auftreten. Wenn ich an Pamela Anderson denke oder auch an Angelina Jolie und den Affentanz, ob nun eher sie selbst oder Jennifer Aniston heiraten wird und wer dann welches Kleid trägt, dann finde ich das ziemlich langweilig, es interessiert mich nicht.


Wie können intelligente Menschen sich derart vom roten Teppich einfangen lassen?

Ich glaube nicht, das es sich hierbei um intelligente Menschen handelt, die so etwas verfolgen, lesen oder unreflektiert schlucken. Sie zählen für mich eher zu der Kategorie „ein wenig unterbemittelt“. Jedenfalls kenne ich keinen intelligenten Menschen in meinem Umfeld, der anders denken würde als du und ich und diejenigen, die darüber bestens informiert sind, sprechen und lesen, das sind mittelmäßig gebildete Leute. Durchschnitt und erschreckender Weise ist das die breite Masse. Es ist vielleicht eine Flucht vor der Tristesse des Alltags und ein Blick in die große Welt. Träume halt und Tratsch, Pierre...


Wenn Stars haufenweise Kinder adoptieren, wird davon berichtet. Ist dies das einzige Ziel?

Da fällt mir wieder Angelina Jolie ein, die ja nicht nur eine ganze Heerschar adoptierter Kinder hat sondern sich stark für Kinder aus Kambodscha einsetzt. Ich will nicht darüber urteilen, ob das gut oder krank ist, aber es ist besser als die Augen zu verschließen. Sie rückt die Missstände in die Öffentlichkeit und spendet - wenn ich nun den Medien glauben kann - große Geldsummen für Hilfsprojekte. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch das Engagement ihres Gatten Brad Pitt erwähnen, der sich - zusammen mit George Clooney -
für politische und soziale Belange einsetzt.


Warum haben Promis das Bedürfnis "gute Menschen" zu sein?

Sie sind auch nur Menschen und ich will nicht absprechen, dass es sozial engagierte Schauspieler und Künstler gibt. Oft sind sie inmitten der Masse, inmitten ihres Ruhmes alleine und suchen den Zweck, den Sinn. Doch wissen sie auch um die Werbewirksamkeit der Charity-Maßnahmen - sei es durch ihr Management oder durch PR-Berater - und sie nutzen dieses Instrument, letztendlich auch für ihr Image, für ihre eigene Tasche, für die Kassen der Filmindustrie und allem, was da dran hängt.




Ist es zulässig, Promotion mit Zuwendung zu vermengen? Es wird behauptet, dass nur so Geld eingesammelt werden kann.

Promotion ist nicht ohne Zuwendung möglich sonst wäre es keine Promotion. Im Mittelpunkt steht der Künstler, die Sache und alles andere wird drum herum gestrickt.
Es gibt ein Zugpferd, es gibt ein Motto, es gibt eine Handlung - eine Aktion - und es gibt ein Resultat, ganz einfach. Ohne geplante, gezielte Zuwendung, ist die Sache gestorben, das sehe ich einfach mal realistisch.


Wie würdest du, liebe Petra, dich auf dem roten Teppich verhalten?

Ich bin auch Frau, Pierre....und natürlich möchte ich gut aussehen und wüsste ja, dass ich in der Öffentlichkeit stehe. Aber ich bin dafür, dass man sich natürlich präsentiert, lebendig und echt. Wahrscheinlich wäre ich sehr nervös und würde hoffen, dass dies alles schnell vorbeigehen möge. Eines aber würde ich mit Sicherheit tun: eine kleine Rede halten und sagen, dass ich meinem Publikum danke, denn ohne dieses wäre ich nichts, wäre das alles gar nicht da...



© Petra M. Jansen







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