„People“
Gesellschaft & Leute
Fragen an
Petra, Thema „Jet Set“ (Interview von Pierre Mathias mit Petra M. Jansen auf dem ehemaligen Kwalae.Magazin, Rubrik: "People", Gesellschaft & Leute)
Der rote Teppich geht mir gewaltig auf den Geist! Ist ein
Festival eine Modenschau?
So artet es mittlerweile aus, Pierre. Auf den Festivals
haben die maßgeschneiderten Roben mehr Gewicht als die Filme, für deren Ehrung
und Vorstellung sie ursprünglich gedacht waren. Die Boulevardpresse ist voll
von Postings der Stars und Sternchen, die oftmals puppenhaft gestylt flanieren
und - ihr bestes Jacketkronen-Lächeln preisgebend, oberflächlich in die Runde
werfend - stets die Kamera der Paparazzi im Blick haben. Eine Zurschaustellung
der fitnessgequälten, abgesaugten und falsch aufpolierten Stars, die ich nicht
mehr sehen kann, weil sie so surreal aussehen. Es sollte eigentlich um die
Filme, um die Arbeit gehen, aber es ist entartet, leider. Dennoch muss ich
anmerken, dass es Kultur ist, denn ohne Filme, Musik, Künstler gäbe es keine
Festivals und andersrum, wenn sich niemand mehr dafür interessieren würde,
beraubten wir uns einer Kunst und eines Teils unserer Kultur. Jet Set im
klassischen Sinne bedeutet Schickeria, auch Jungreiche und eine wohlhabende,
internationale Gesellschaftsschicht und steht hier in diesem Zusammenhang für
die Stars und Sternchen der Film- und Musikbranche.
Wenn
Charity mit dem roten Teppich vermengt wird, kommen bei mir komische Gefühle
auf. Wie steht es bei dir?
Zunächst einmal sind
einige Akteure für mich völlig überbezahlt und ich verstehe nicht, wieso sie
mehrere Millionen Dollar Gage erhalten, die in keiner Relation zur Leistung
stehen. Nun würde die Filmindustrie protestieren und sagen, dass dieser oder
jener Schauspieler das Doppelte oder Dreifache einspielt und es genau aus
diesem Grund angemessen wäre. O.k., das lasse ich jetzt mal so stehen, denn es
scheint zu stimmen und Hollywood arbeitet nicht mit roten Zahlen unter´ m
Strich. Es gibt Stars, die einen Teil ihres Geldes sinnvoll in Charity-Projekte
stecken und sie haben natürlich weltweit eine Vorbildfunktion. Wenn nicht sie
und andere Künstler oder die Politiker es tun, wer dann? Sie haben das Geld
dafür und wenn es tatsächlich für soziale Belange eingesetzt wird, finde ich
das gut. Alles, was sie in dieser Hinsicht tun, geschieht auch im Hinblick auf
ihre eigenen Positionierung und solange man ihnen nicht ihre 20-Zimmer-Villa in
Beverly Hills nimmt, ist alles in Ordnung. Soziales Engagement, Wohltätigkeit
und Benefiz - sinnvoll eingesetzt - sind
nie verkehrt.
Geht es beim Jet-Set nicht vor allem um eine
Selbstdarstellung? Um die Kohle?
Es geht immer um Selbstdarstellung, Publicity oder das
Gewissen. Ich will nicht ausschließen, dass es Stars gibt, die wirklich helfen
wollen, denen es ein innerer Wunsch ist, Hilfe und Unterstützung zu leisten.
Doch es kommt gut an, wenn die Weste rein ist und die Vorbildfunktion einen
positiven, humanen, sozialen Touch hat. Im Sinne des Geschäfts, im Sinne des
Künstlers, im Sinne der begleitenden Filmindustrie. Angelina Jolie ist mit
ihrer humanitären Unterstützung in Kambodscha fast mehr in den Medien als mit
ihren Filmen und diese Präsenz tut wiederum ihrer Arbeit als Schauspielerin
gut. Präsenz in den Medien bedeutet auch Achtung und das schraubt wiederum die
Gage in die Höhe.
Wir erklärst du, dass der kleine Mann sich derart von
dieser Schau leimen lässt?
Es ist der Traum des kleinen Mannes, einen Hauch dieser
egozentrischen Welt mitleben zu können. Ich erkläre es damit, dass es dem
Großteil der Menschen anscheinend an klugem Verstand fehlt und das wird leider
immer schlimmer. Es ist die Durchschnittsbevölkerung und die träumt von
Glamour, Luxus, Geld, Ruhm und Ehre, damit ihr tristes Dasein zu Hause ein
wenig Farbe bekommt. Die Damen verschlingen solch einen Quatsch, der in den
Boulevardblättchen veröffentlicht wird,
rennen zum nächsten Nagelstudio, zum Friseur und liegen nachts
frustriert im Bett, weil sie es gerade noch auf die Reihe bringen, dass sie
sicher nie dazugehören werden. Danach futtern sie Schokolade und Konfekt, damit
diese Erkenntnis nicht ganz so schmerzlich ist. Für ältere Leute bedeutet es
schlichtweg Unterhaltung, Ablenkung und ein Hauch der weiten Welt - das ist
auch in Ordnung so.
Ist der
Unterleib einer Diva wichtiger als das, was sie im Schädel trägt, wenn
vorhanden?
Sie werden nach Äußerlichkeiten beurteilt und hier zählt
nicht Geist sondern Schönheit, Sexappeal und Ausstrahlung. Darüber definieren
sie sich gerne über aufgespritzte Lippen, silikonvergrößerte Brüste, gestraffte
Schenkel, die schon dreimal abgesaugt wurden. Bei den Herren ist es ein wenig
besser und es gibt leider sehr wenige Stars, die wirklich bodenständig, normal
und natürlich auftreten. Wenn ich an Pamela Anderson denke oder auch an
Angelina Jolie und den Affentanz, ob nun eher sie selbst oder Jennifer Aniston
heiraten wird und wer dann welches Kleid trägt, dann finde ich das ziemlich
langweilig, es interessiert mich nicht.
Wie können intelligente Menschen sich derart vom roten
Teppich einfangen lassen?
Ich glaube nicht, das es sich hierbei um intelligente
Menschen handelt, die so etwas verfolgen, lesen oder unreflektiert schlucken.
Sie zählen für mich eher zu der Kategorie „ein wenig unterbemittelt“.
Jedenfalls kenne ich keinen intelligenten Menschen in meinem Umfeld, der anders
denken würde als du und ich und diejenigen, die darüber bestens informiert
sind, sprechen und lesen, das sind mittelmäßig gebildete Leute. Durchschnitt
und erschreckender Weise ist das die breite Masse. Es ist vielleicht eine
Flucht vor der Tristesse des Alltags und ein Blick in die große Welt. Träume
halt und Tratsch, Pierre...
Wenn Stars haufenweise Kinder adoptieren, wird davon
berichtet. Ist dies das einzige Ziel?
Da fällt mir wieder
Angelina Jolie ein, die ja nicht nur eine ganze Heerschar adoptierter Kinder
hat sondern sich stark für Kinder aus Kambodscha einsetzt. Ich will nicht
darüber urteilen, ob das gut oder krank ist, aber es ist besser als die Augen
zu verschließen. Sie rückt die Missstände in die Öffentlichkeit und spendet -
wenn ich nun den Medien glauben kann - große Geldsummen für Hilfsprojekte. Bei
dieser Gelegenheit möchte ich noch das Engagement ihres Gatten Brad Pitt
erwähnen, der sich - zusammen mit George Clooney -
für politische und soziale
Belange einsetzt.
Warum haben Promis das Bedürfnis "gute
Menschen" zu sein?
Sie sind auch nur Menschen und ich will nicht absprechen,
dass es sozial engagierte Schauspieler und Künstler gibt. Oft sind sie inmitten
der Masse, inmitten ihres Ruhmes alleine und suchen den Zweck, den Sinn. Doch
wissen sie auch um die Werbewirksamkeit der Charity-Maßnahmen - sei es durch
ihr Management oder durch PR-Berater - und sie nutzen dieses Instrument,
letztendlich auch für ihr Image, für ihre eigene Tasche, für die Kassen der
Filmindustrie und allem, was da dran hängt.
Ist es zulässig, Promotion mit Zuwendung zu vermengen? Es
wird behauptet, dass nur so Geld eingesammelt werden kann.
Promotion ist nicht ohne
Zuwendung möglich sonst wäre es keine Promotion. Im Mittelpunkt steht der
Künstler, die Sache und alles andere wird drum herum gestrickt.
Es gibt ein Zugpferd, es
gibt ein Motto, es gibt eine Handlung - eine Aktion - und es gibt ein Resultat,
ganz einfach. Ohne geplante, gezielte Zuwendung, ist die Sache gestorben, das
sehe ich einfach mal realistisch.
Wie würdest du, liebe Petra, dich auf dem roten Teppich
verhalten?
Ich bin auch Frau,
Pierre....und natürlich möchte ich gut aussehen und wüsste ja, dass ich in der
Öffentlichkeit stehe. Aber ich bin dafür, dass man sich natürlich präsentiert,
lebendig und echt. Wahrscheinlich wäre ich sehr nervös und würde hoffen, dass
dies alles schnell vorbeigehen möge. Eines aber würde ich mit Sicherheit tun:
eine kleine Rede halten und sagen, dass ich meinem Publikum danke, denn ohne
dieses wäre ich nichts, wäre das alles gar nicht da...
© Petra M. Jansen
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